Schneekanonen in der Kritik

Schneekanone Schneekannonen garantieren Schneesicherheit und provizieren Kritik. Zu selten ist der Wettergott allein den ambitionierten Skifahrern gütig.
(3.8) Bewertungen: 11

Kaum ein Skigebiet, das heute ohne Schneekanonen auskommt. Versprechen zur Schneesicherheit in den Skigebieten können durch die veränderten Klimabedingungen nur in wenigen Regionen eingehalten werden. Man muss künstlich nachhelfen, ausreichende Schneedecken für die Loipen und Pisten aufrecht zu erhalten. Um von November bis März den Skibetrieb zu ermöglichen, braucht es Schneekanonen.

Was dem Ski-Fan den Urlaub ermöglicht ist in der Klimadiskussion heiß umstritten: Schneekanonen brauchen viel Strom und Wasser. Befürchtet wird, dass der Klimawandel durch den Einsatz von Schneekanonen eher befeuert wird und kurzfristiges Ausgleichen der Klimawandelfolgen nicht nachhaltig die Skiregionen sichern kann.

Ursprünge der Schneekanone in Nordamerika

Die Schneekanonen stammen ursprünglich aus den USA und die ersten Vorläufer der heute im Einsatz befindlichen High-Tech Schneekanonen wurden bereits schon vor über 50 Jahre entwickelt. Erst ca. 20 Jahre später fanden die Schneekanonen in Europa Fuß. Sie werden hauptsächlich in Skigebieten eingesetzt, in schneearmen Tagen. Veränderte Klimabedingungen haben den Einsatz von Schneekanonen in den letzten Jahren explodieren lassen.

Schneekanonen funktionieren sehr einfach

Das Funktionsprinzip der Schneekanone ist so einfach wie das der Natur. Es werden feinste Wassertropfen in die eiskalte Luft versprüht. Die Luft muss dabei mindestens -4°C oder weniger betragen und die Luftfeuchtigkeit darf maximal 80% betragen. Bei höheren Werten ist das Prinzip auch möglich, jedoch wird der Prozess mit zunehmender Temperatur und Luftfeuchtigkeit unwirtschaftlich. Wenn ein Teil des Wassers Verdunstet, wird der Umgebung Wärme entzogen. Dabei unterkühlt ein anderer Teil der Tröpfchen und gefriert zu künstlichen Eiskristallen. Diese Eiskristalle sind im Übrigen nahezu gleich wie die Natürlichen. Das „Herstellungsprinzip“ ist lediglich ein anderes.

Ohne Chemie schnell unwirtschaftlich

Steigt die Temperatur höher als -4°C, wird die Schneekanone unwirtschaftlich. Es gibt jedoch die Möglichkeit, dies mit der Zugabe von Additiven zu kompensieren. Verschiedene Hersteller bieten Schneezusätze, die das Beschneien auch bei höheren Temperaturen und mehr Luftfeuchtigkeit ermöglichen. Diese Additive nehmen Einfluss auf den Gefrierpunkt des Wassers. So verspricht die Firma YORK z.B., dass ihr Produkt SNOWMAX die Schneekanonen noch sogar bei -3°C wirtschaftlich hält und bei niedriger Luftfeuchtigkeit sogar bis zur Nullgrenze. SNOWMAX enthält als Wirkstoff ein Bakterium, genannt "Pseudomonas Syringae". Es wird in Spezialtanks gezüchtet, anschließend schockgefrostet und in der Endfertigung sterilisiert. Dabei wird das Bakterium vollständig abgetötet und bewirkt eine schnellere Bildung der Eiskristalle bei wesentlich höheren Temperaturen.

Künstlicher Schnee

Der künstliche Schnee wird heute mit zwei Arten von Kanonen verstreut: entweder mit der Druckluftkanone (auch Hochdruck- Anlage genannt) oder mit einer Propellerkanone (Niederdruck- Anlage). Die Begriffe Hoch- bzw. Niederdruckanlage sind aber eigentlich nicht zutreffend, da die Propellerkanonen einen meist höheren Wasserdruck benötigen, als die Hochdruckanlagen, um den Schnee effizient zu verstreuen. Heutzutage gibt es sogar Anlagen, die bei Temperaturen über den Gefrierpunkt Schnee erzeugen. Sie werden in Israel hergestellt und hauptsächlich in Südafrika eingesetzt. Die Effizienz ist jedoch verschwindend gering, da der Schnee ja bei Plus- Temperaturen bekanntlich schnell schmilzt.

Schneekanonen brauchen Infrastruktur

Man kann nicht einfach eine Schneekanone in die Landschaft stellen und Schnee produzieren. Zu einer Beschneiungsanlage für die Skipisten gehört eine ordentliche Infrastruktur: Wasser und Strom müssen zur Schneekanone kommen (es braucht z.B. Wasserspeicher und ein Leitungssystem, Stromleitungen (und dazu gehörige Stromproduktion), Steuerung und Wetterstation, „Zapfstellen“ für Strom und Wasser für die eigentlichen Schneeerzeuger. Für den Einsatz und Betrieb von Schneekanonen sind also viele weitere Infrastrukturobjekte nötig.

In der Kritik: Hoher Strom und Wasserverbrauch

In der Kritik an Schneekanonen steht zuerst der hohe Strom- und Wasserbedarf. Dazu kommen Veränderungen in der Bergökologie durch den Einsatz von Schneekanonen. Das gilt sowohl für das verwendete Wasser und dessen Auswirkungen auf Boden und Flora, evtl. nötige chemische oder biologische Additive als auch auf die andere Struktur des durch die Schneekanone produzierten Schnees.

Für einen Quadratmeter Schneekanonenschnee braucht man in etwa (je nach den unterschiedlichen Verfahren) als Faustregel 3 kWh Strom und rund einen halben Qubikmeter Wasser. Das hört sich zunächst nicht dramatisch an. Die relativ hohen Temperaturen in den letzten Jahren zum Beispiel in den deutschen Mittelgebirgen oder den Alpen, verbunden mit weniger natürlichem Schnee ergeben riesige Mengen von Kunstschnee um die saisonale Schneesicherheit der Skigebiete zu gewährleisten.

Wasserbedarf - woher nehmen und nicht stehlen?

Gemäß einer Studie aus Frankreich wurden für die Beschneiung von einem Hektar Pistenfläche während der Saison 2002/03 rund 4'000 Kubikmeter Wasser gebraucht. Man unterscheidet zwischen einer „Grundbeschneiung“, bei der die ersten 30 cm Schneefläche erzeugt werden, und eine „Nachbeschneiung“.

Für den Alpenraum bedeutet bei etwa 23.500 Hektar beschneibarer Fläche einen Wasserverbrauch von rund 100 Millionen Kubikmeter Wasser – genug um den Jahresbedarf von 1,5 Millionen Menschen zu decken. Mit steigenden Temperaturen erhöht sich der Bedarf durch das Nachbeschneien.

Hinzuweisen ist auch darauf, dass das Wasser für die Schneekanonen nicht einfach in den Skigebieten vorhanden ist (wenn es nicht von selber schneit). Man muss vorhandene Bäche und Quellen anzapfen, Speicher bauen oder das Wasser aufwendig aus den Tälern hochpumpen.

Strombedarf der Schneekanonen

Pro Hektar beschneiter Fläche geht man im Durchschnitt von etwa 25.000 kWh Strombedarf aus – bei guter Verfügbarkeit von Wasser und nicht weiter steigenden Temperaturen. Das entspricht in etwa dem Jahresbedarf für Strom von fünf vierköpfigen Familien.

Nach einer älteren Studie (2007) des Instituts für Schnee und Lawinenforschung (SLF) in der Schweiz rund 183 Gigawattstunden Strom, ein Drittel davon, etwa 60 gWh, brauchen allein die Schneekanonen. Das wäre genug Strom um 30.000 bis 40.000 Haushalte über den Winter zu bringen. Die Zahl dürfte heute deutlich überholt sein, da in den letzten 15 Jahren viele weitere Schneekanonen zur Sicherung der Skigebiete neu angeschafft wurden.

Flächenverbrauch und Ökologie

Eingriffe in die Natur und Bodenökologie für den Betrieb der Schneekanonen sind nicht nur in der Bauphase zu erwarten. Bedenklich scheinen einige der Additive, die bei wärmeren Temperaturen (ab Minus 3 Grad) zu Einsatz kommen müssen. In Deutschland sind viele der international erlaubten Zusätze nicht im Einsatz.

Insgesamt stehen allerdings die „Verschlechterungen“ in der Naturlandschaft durch den Einsatz von Schneekanonen kaum im Verhältnis zu den Eingriffen in die Natur, die sowieso für die Anlage von Skipisten und Liften nötig sind. Für Naturschützer muss das Skigebiet an sich in der Kritik stehen.

Hohe Kosten einer Beschneiung

Schon 2019 berechnete das Bayerische Landesamt für Umwelt, das sich die Kosten der Beschneiung nur rechnen, wenn die Temperaturen nicht weiter steigen: Die Produktion kostete zu diesem Zeitpunkt rund 3 Euro pro Kubikmeter Kunstschnee. 943 Hektar Skipisten wurden allein in den Bayerischen Skigebieten beschneit, quasi eine Verdoppelung der Zahlen seit 2009.

Mit den steigenden Energie- und Wasserkosten steigen die Kosten stark. Kein Wunder, dass die Betreiber ihre Preise für die Skipässe kräftig anheben müssen. Fraglich ist jedoch, wieviel Geld die Ski-Fans bereit sind für das ski-Vergnügen zu bezahlen. Schon jetzt eine Zwickmühle für die Betreiber: Ohne Schnee kein Pistenvergnügen, mit Kunstschnee wird das Vergnügen zu einem teuren Spaß und für immer weniger Gäste bezahlbar. Und das unabhängig von jeglichen Überlegungen zu Ökologie und Klimaschutz.

In vielen Regionen ist die Diskussion entbrannt, wer für die Kosten der Beschneiungsanlage aufkommen soll. In Bayern gab es dazu zuletzt einige Initiativen im Landtag, die für eine stärkere öffentliche Förderung von solchen Anlagen aus dem Steuersäckel plädieren – zugunsten der vom Skitourismus abhängigen Gemeinden.

Foto: Dago Wiedamann, www.oesterreich-netz.de

Deine Meinung

Bewertung (5 ist super, 1 ist nicht so toll):  

Kommentar (0)

Keine Kommentare

Letzter Artikel

Skifahren Andalusien
Zum Skifahren in Andalusien gibt es kaum Worte, die die Stimmung auf den höchsten Pisten wirklich beschreiben können. Skifahren in...

Skifahren in Niederösterreich
Niederösterreich ist eine Region eher für Liebhaber stiller Winterlandschaften denn für den Skiuraub. Trotzdem gibt es auch hier einige Optionen für Pisten-Fans: Rund 40 verschiedene Skigebiete mit rund 200 kleinen und mittleren Pisten locken vor allem Skifahrer aus dem nahen Wien.

Skifahren in Südtirol
Für das Skifahren bietet Südtirol, die italienische Provinz an der Grenze zu Österreich, die besten Voraussetzungen. Hier gibt...

Skifahren in der Zentralschweiz
Zum Skifahren in der Zentralschweiz geht es in die Region rund um den Vierwaldstätter See. Hauptstadt des Schweizer Kantons ist Luzern....

Skihasen - Opfer

Skihase
Skihase vs. Skilehrer - ein gerne inszeniertes Rollenspiel im skiurlaub. Dabei muss man ein genaues Auge auf den Skihasen werfen - eine ganz eigene Spezie in den winterlichen Bergen.

Werbung